Deine Verantwortung? Kinder arbeiten unter unmenschlichen Bedingungen, der Aralsee verliert 75% seines Wassers in nur 30 Jahren und die Artenvielfalt der Tier- und Pflanzenwelt ist gefährdet. Dies sind die Schattenseiten der billigen Baumwollkleidung, die im Zuge des Fast-Fashion-Wahns im Trend liegt und in fast jedem Kleiderschrank zu finden ist.
Jedes Jahr werden rund 25 Millionen Tonnen Baumwolle geerntet. Millionen Bauern in Indien, China und Afrika sind vom Export der Rohwolle abhängig. Um diesen Absatz erreichen zu können, wird Baumwolle großflächig, meist in Monokulturen angebaut; Ackerflächen, die den Bauern zur Produktion ihrer Nahrungsmittel fehlen. Es entsteht eine vollkommene Abhängigkeit der Kleinbauern vom Baumwollexport als ihrer einzigen Einnahmsquelle.
Rund die Hälfte der weltweit angebauten Baumwolle stammt aus gentechnisch verändertem Saatgut; in Indien und China, den Hauptexportländern für Baumwolle, sind sogar 70-90% des Saatguts gentechnisch verändert. Dieses Saatgut ist häufig hybrid; und somit nicht fortpflanzungsfähig. Die Bauern können das Saatgut nicht mehr selbst züchten, sondern müssen es für jede Aussaat neu einkaufen; und geraten so in substantielle Abhängigkeit zu den Konzernen.
Schätzungen zu Folge arbeiten weltweit rund 175.000 Kinder auf Baumwollfeldern; häufig ohne Schutzkleidung. Oft werden die Kinder ausgebeutet. Sie müssen ohne einen angemessenen Lohn auf den Feldern arbeiten. Zwangsarbeit und Sklaverei sind trotz der weltweiten Ächtung nicht selten.
Gerade in Monokulturen ist Baumwolle anfällig für Schädlinge; rund 14% der Ernte wird jährlich durch Schädlingsfraß zerstört. Im konventionellen Anbau werden so Pestizide in großen Mengen versprüht; was eine weitere Abhängigkeit für die Kleinbauern bedeutet. Viele der Bauern verschulden sich durch die teuren Pestizide und Saatgüter. Einige geraten in ausweglose Situationen; und nehmen sich selbst das Leben.
Zudem erfolgt die Ernte der Baumwolle meistens per Hand und ohne ausreichende Schutzkleidung. Als Folge leiden viele der Arbeiter an Vergiftungserscheinungen. Durch die starke Bewässerung der Baumwolle versickern die Pestizide; und belasten den Erdboden, bevor sie ins Grundwasser gelangen. Die Langzeitwirkungen der eingesetzten Pestizide auf die Umwelt sind häufig nicht bekannt, jedoch ist von einem Massensterben von Tier- und Pflanzenarten bei einer Kontaminierung des Grundwassers auszugehen.
Was kann man als Konsument tun, um die Lebensbedingungen der Bauern zu verändern? Wer nachhaltig konsumieren will, steht erst vor der Aufgabe sich mit den verschiedenen Aspekten der Nachhaltigkeit, den Organisationen und Siegeln auseinanderzusetzen. 100% Baumwolle im Einzelhandel? bietet hierfür einen Einstieg und zeigt dabei einige der Schattenseiten des konventionellen Anbaus auf.
(Katja Hentschel)
Der Begriff „Nachhaltigkeit“ besitzt drei Dimensionen: eine ökologische (z. B. Ressourcenschutz), eine soziale (z. B. Arbeitsbedingungen) und eine wirtschaftliche (z. B. dauerhaft betreibbar). Die Anbauländer von Baumwolle befinden sich zwischen dem 37. nördlichen Breitengrad und dem 30. südlichen Breitengrad auf dem Globus (sog. Baumwollgürtel). Die drei größten Produzenten sind China, Indien und die USA. Die Baumwolle wird meist in sehr trockenen Regionen angebaut und muss daher künstlich bewässert werden, was negative Umweltauswirkungen wie z. B. Grundwasserknappheit in den entsprechenden Gebieten mit sich bringt. Der Pestizideinsatz beim Baumwollanbau ist hoch, was zu Gesundheitsrisiken bei Produzenten und in geringerem Maße auch bei Konsumenten führen kann. Die hohen Kosten für die Pestizide treiben zudem viele Bauern in die Schuldenfalle. Die Baumwolle wird zumeist per Hand geerntet, die Arbeiter werden für ihre mühsame Arbeit jedoch nur schlecht entlohnt. Selbst Kinderarbeit und Zwangsrekrutierungen sind keine Seltenheit. Es gibt daher Initiativen mit unterschiedlicher Schwerpunktsetzung, die die Probleme des Baumwollanbaus angehen wollen, wie etwa Cotton made in Africa, Better Cotton Initiative, Biobaumwolle oder Baumwolle aus fairem Handel. Ebenso gibt es verschiedene Textilsiegel, die dem interessierten Verbraucher gewisse Mindeststandards beim Baumwollanbau zusichern, wie Global Organic Textile Standard, Öko-Tex Standard 100/1000, Textile Exchange, IVN Naturtextil BEST oder bluesign. Während der Baumwollanbau insgesamt seit 2006 stagniert, hat sich der Anbau von Biobaumwolle zwischen 2006 und 2015 in etwa verdreifacht. Die Argumente für Bio-Baumwolle sind vielfältig, wie gerechtere Löhne, keine Kinderarbeit, geringerer Pestizideinsatz und Schonung der Umwelt oder Einkommenssicherheit für die Produzenten. Alternativen zu Baumwolle sind z. B. Schafswolle, Viskose, Hanf oder Polyester, alle mit unterschiedlicher Umweltbilanz.
(Wüstel)