Deine Verantwortung? Kinder arbeiten unter unmenschlichen Bedingungen, der Aralsee verliert 75% des Wassers in nur 30 Jahren und die Vielfalt verschiedener Tier- und Pflanzenarten ist gefährdet. Dies sind die Schattenseiten der Billig-Baumwollkleidung, die im Zuge des Fast Fashion Wahns im Trend liegt und fast in jedem Kleiderschrank zu finden sind.
Das Arbeitsheft 100% Baumwolle im Einzelhandel vom Entwicklungspolitischen Bildungs- und Informationszentrum e.V. (EPIZ) unternimmt den Versuch, diese Auswirkungen unseres Alltags aufzuzeigen. Globale Entwicklungen wie Armut und der Klimawandel haben direkten Bezug zu unseren täglichen Entscheidungen. Welchen Einfluss Baumwolle auf diese Wechselwirkungen spielt, soll hier verdeutlicht werden.
Beim Kauf einer Hose vergessen wir oft, was alles da hinter steckt. Aus einer schier unendlichen Auswahl wählen wir uns eine aus, bezahlen sie und schlendern dann glücklich über unseren Kauf zurück nach Hause. Wenn wir wüssten, zu welchem Preis wir die Hose tatsächlich gekauft haben, würden wir uns dies vielleicht zweimal überlegen. Das EPIZ klärt auf: lediglich 1% des Kaufpreises geht als Lohn zurück an die ArbeiterInnen. 25% zahlen wir alleine für den Markennamen, die Werbung und Verwaltung. Ganze 50% gehen an den Einzelhandel. Diese Rechnung lässt sich ähnlich auf alle Fast Fashion Marken, wie H&M oder Zara anwenden.
Durch die stetig wachsende Kleidungsindustrie, steigt also auch die Nachfrage nach Baumwolle. Laut dem Bericht von EPIZ beträgt die Baumwollernte pro Jahr rund 25 Millionen Tonnen. Die drei führenden Länder im Anbau sind Indien, China und die USA. Dabei wird die Hälfte der Anbauflächen mit gentechnisch veränderten Sorten an Baumwolle bestellt. Hierfür wird sehr viel Wasser verbraucht, der Boden mit Pestiziden behandelt und die Arbeitsbedingungen sind meist alles andere als fair. Unser Wahn nach neuen Klamotten und einem immer wechselnden Bestand unseres Kleiderschranks, fördert und unterstützt diese Produktionsketten.
In Indien benötigt man beispielsweise zum Anbau von einem Kilo Rohbaumwolle rund 165 gefüllte Badewannen voll Wasser. Dieser hohe Bedarf führt zu Wasserknappheit – also hat einen erheblichen Schaden auf Fische, Lebensräume, Flüsse und führt zu einer Versalzung des Bodens. Auch die verwendeten Pestizide vergiften Gewässer und führen zum Aussterben von Pflanzen- und Tierarten. Da Baumwollpflanzen stark anfällig für Schädlinge, wie beispielsweise Kapselwürmer sind, sind Pestizide bei der hohen Nachfrage nicht mehr wegzudenken. Hier durch kommt es meist auch zum Anbau von Monokulturen, welche die Wahrscheinlichkeit der Plage noch verstärkt.
Doch der starke Anbau von Biobaumwolle hat nicht nur ökolomische, sondern auch soziale Folgen. Um Pestizide bezahlen zu können, verschulden sich Bauern*Bäuerinnen oft, zum Beispiel auch durch Kredite. Auch gentechnisch veränderte Pflanzen müssen jedes Jahr neu gekauft werden, da diese oft einen sogenannten „Kopierschutz“ haben und sich daher nicht von selbst vermehren können. Oft wird die Ernte per Hand eingeholt, das heißt sie ist sehr arbeitsintensiv und die hohe Pestizidbelastung führt oft zu gesundheitlichen Problemen. Die Bauern*Bäuerinnen leisten harte Arbeit für wenig Geld, Menschenrechte werden vorwiegend nicht beachtet: so arbeiten nach einer Studie von UNICEF rund 175.000 Kinder in der Baumwollindustrie. In Usbekistan werden Kinder beispielsweise von der Schule dazu verpflichtet bei der Baumwollernte zu helfen.
Dem entgegen fordert zum Beispiel die internationale Arbeitsorganisation ILO Schutz gegen Ausbeutung, setzt Kernbestimmungen fest, kann Verstöße aber nicht selbst bestrafen. Langsam entstehen vermehrt alternative Bekleidungsunternehmen, die mit Nachhaltigkeit und Fairness werben oder Organisationen wie Cotton Made in Africa oder Better Cotton Initiative. Daneben entstehen viele Textilsiegel und Zertifizierungen, die bei einem Kauf Orientierung bieten können. Bis heute macht die Bio-Baumwolle lediglich 1% der weltweiten Ernte aus. Doch was heißt Nachhaltigkeit hier überhaupt? Kann man (Bio-) Baumwolle in der Kleidungswirtschaft bei einem solchen Bedarf überhaupt so bezeichnen? Es bleiben viele Fragen offen, doch das Arbeitsheft des EPIZ macht einen ersten Schritt in Richtung eines nachhaltigeren Kaufbewusstseins.
(Breitter)